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Studierende am JWK wollen Kindern die Furcht vorm Arzt nehmen

Minden -

Studierende am JWK wollen Kindern die Furcht vorm Arzt nehmen

Foto: Tom ist traurig. Seinem Hasen Leo geht es schlecht. Medizinstudentin Özlem Öztürk kann Leo aber schnell helfen.

Für Kinder und Eltern ist es ein Albtraum. Ein Moment der Unaufmerksamkeit beim Spielen, ein Sturz – und mit gebrochenem Arm oder blutendem Kopf muss Sohnemann oder Töchterchen zum Arzt oder sogar ins Krankenhaus. Dort strömt eine Flut von Eindrücken auf den kleinen Patienten ein: die eigenen Schmerzen, vielleicht die Hilflosigkeit der Eltern, das riesige Gebäude, die ungewohnten Geräusche und Gerüche und die Furcht vor dem Unbekannten.

Um Kindern die Angst vor dem Arzt zu nehmen, haben 30 Studierende des Universitätsklinikums Minden jetzt aus eigener Initiative ein Projekt mit Vorbildcharakter durchgeführt. Einen Tag lang richteten sie im Campusgebäude des Johannes Wesling Klinikums ein „Teddybär-Krankenhaus“ ein. Insgesamt 130 Jungen und Mädchen aus sieben Kindertagesstätten aus Minden und Umgebung kamen zur Teddy-Sprechstunde.

Wie jeder gute Arztbesuch beginnt die Teddy-Sprechstunde im Wartezimmer mit Malstiften. Viel Zeit verbringen die Kinder dort nicht, denn schon werden sie einzeln abgeholt und ins „Teddydoc-Zimmer“ gebracht. Die Plüsch-Patienten werden gewogen, vermessen und ausführlich untersucht. Maßbänder und Fieberthermometer, aber auch Stethoskope liegen bereit. Die Teddydocs erklären ganz genau, was sie gerade machen, und die Kinder dürfen mithelfen.

An einem Behandlungstisch sitzt die fünfjährige Lara mit ihrem Teddy „Mücke“, der offensichtlich einen Unfall gehabt hat. Sie beschreibt dem Teddydoc, was passiert ist: „Mücke ist über den Teppich gestolpert. Das Bein tut ihm weh“, sagt Lara traurig. Nach einer kurzen Untersuchung stellt Dr. ted. Jan Schildberg die vorläufige Diagnose: „Verdacht auf Beinbruch, linksseitig“ und nimmt den kuscheligen Patienten und die besorgte Teddymutter mit in die „Röntgenabteilung“.
Hinter einem hochmodernen Pappkarton-Röntgengerät (von den Studierenden selbst konstruiert und garantiert strahlungsfrei) kommt Bernadette Kurz ganz schön ins Schwitzen. Für jeden Patienten zeichnet sie passende Röntgenbilder – „hoch aufgelöst und qualitativ hochwertig“, betont die Medizinstudentin lachend, die an diesem Tag dutzendfach Skelette von Bären, Eulen, Ponys, Robben und Löwen, aber auch gebrochene Einhorn-Hörner und Drachenflügel skizziert.
Bei Teddy Mücke zeigt sich auf dem Röntgenbild sofort das ganze Ausmaß der Verletzung. Lara kann mit eigenen Augen sehen, wo das Schienbein gebrochen ist. Es hilft nichts. Eine Operation ist unumgänglich – natürlich im Beisein und unter Mithilfe von Lara.

Der nächste Teddy, bitte!

Jeder Teddybär bekommt an diesem Tag seine eigene Diagnose und seine eigene individuelle Behandlung bei der immer auch die Kinder selbst Hand anlegen können. Begeistert werden Wunden desinfiziert, Pflaster geklebt, Gliedmaßen verbunden, Spritzen gesetzt. Dabei seien es gerade die Spritzen, vor denen junge Patienten normalerweise am meisten Angst hätten, betont Professor Dr. Bernhard Erdlenbruch, Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin. Umso wichtiger sei es, eine angstfreie Umgebung zu schaffen und positive Erinnerungen im Gedächtnis zu verankern – so, wie es die Studierenden mit ihrem Teddybär-Krankenhaus versuchten. Denn „wenn Kinder Angst haben, erschwert das die Untersuchung und die Behandlung. Außerdem erhöht es die Belastung für die Eltern. Je stressfreier die Behandlung verläuft, desto besser“, so Erdlenbruch. Ein zum Arzt-Termin mitgebrachtes Kuscheltier könne da schon eine große Hilfe sein und eine Brücke zwischen Kind und Arzt schlagen. Denn das A und O für einen guten Kinderarzt sei, sich in die Welt seiner Patienten hineinversetzen zu können. „Und das gelingt unseren Teddydocs heute ganz hervorragend. Man sieht ja, wie gut die Jungen und Mädchen mitmachen und dass sie keine Probleme haben, mit den Studierenden zu reden“, lobt Professor Erdlenbruch.

Studierende am JWK wollen Kindern die Furcht vorm Arzt nehmen

Foto: Im Teddy-OP: Unzählige Arm- und Beinbrüche wurden an diesem Tag operiert. Die Anästhesie der kleinen kuscheligen Begleiter wurde mit Zauberluft durchgeführt. Auch hier konnte jedes Kind mithelfen.

Unterstützung für das Teddybär-Krankenhaus haben die Studierenden von der Medizin-Fachschaft der Ruhr-Universität Bochum erhalten. Dort ist die Bärenklinik bereits seit dem Jahr 2000 fest etabliert. „Ursprünglich kommt die Idee aus Skandinavien“, erläutert Darius Jan Baron, Mitglied der Bochumer Fachschaft. Er hatte die Schulung der Mindener Teddydocs übernommen. „Oberster Grundsatz ist immer: Die Kinder werden bei jedem Behandlungsschritt einbezogen, aber zu nichts gezwungen. Wichtig ist außerdem, dass nicht das Kind, sondern der Teddy im Mittelpunkt steht.“
Üblicherweise spiegelten die Krankheiten der Kuscheltiere die Erfahrungen ihrer jungen Besitzer wider – entweder eigene Erkrankungen oder die von Familienmitgliedern oder Freunden. Hellhörig würden die Teddydocs sobald ein Kind sagt: „Mein Teddy hat Krebs“, oder „mein Teddy ist geschlagen worden“: „Die Studierenden sind auch darauf vorbereitet und wissen, was sie zu tun haben, wenn sie so etwas hören“, versichert Baron.

Die meisten Teddy-Krankheiten sind jedoch zum Glück weit weniger dramatisch. „Husten, ein gebrochener Arm oder Bauchschmerzen wegen zu viel Schokolade oder Gummibärchen – das sind so die Dinge, die die Kinder am häufigsten nennen“, sagt Bernadette Kurz. Im Grunde seien die Erwartungen der Jungen und Mädchen an einen Arzt oder ein Krankenhaus ganz einfach: „Da ist etwas kaputt, das muss wieder heil gemacht werden.“

Studierende am JWK wollen Kindern die Furcht vorm Arzt nehmen

Foto: Die Mindener Teddydocs. Die Studierenden des neunten Semesters des Mindener Universitätsklinikums haben das Teddybärkrankenhaus eigenständig organisiert.

Einige der Kinder, die mit ihrem Kuscheltier zur Behandlung gekommen sind, waren selbst schon einmal im Krankenhaus. Der fünfjährige Tom hatte sich die Schulter gebrochen. „Das hat wehgetan. Aber die Ärzte waren nett“, sagt er. Heute ist er mit seinem Hasen Leo da, der – nach sorgfältiger Behandlung durch Medizinstudentin Özlem Öztürk – schon wieder auf dem Weg der Genesung ist. In der Apotheke des Teddy-Krankenhauses holt sich Tom schnell noch ein paar Tropfen (aus klarem Wasser) und Tabletten (aus Traubenzucker) für seinen kleinen Hasen und verspricht, sich genau an die ärztliche Anweisung zu halten: „Jeden Morgen eine“. Aber „Apothekerin“ Alexandra Beier hat noch einen weiteren Tipp für Tom, der mindestens genauso wichtig ist wie die Medikamente: „Ganz viel knuddeln, ganz viel Liebe, dann geht es deinem Hasen schnell wieder besser.“

Die Veranstaltung wurde unterstützt durch Sachspenden von:
ELKI-Förderverein e.V.
Apotheke am E-Center
Bäckerei Bertermann
Edeka am Porta Markt
Pizza King
Spielwaren Sternenkind
Deutsche Ärzte Finanz

(Text und Fotos: MKK)

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