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Alltag von Menschen mit Behinderung beim Bürgerdialog

Bad Oeynhausen -

Alltag von Menschen mit Behinderung beim Bürgerdialog

Foto: Eingeladen zum europäischen Bürgerdialog im Wittekindshof hatten Staatssekretär Dr- Rolf Schmachtenberg aus dem Bundesministerium für Arbeit und Gesundheit (1.v.l.), Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland und der Wittekindshofer Vorstandssprecher Pfarrer Professor Dr. Dierk Starnitzke.

Die Bundesregierung sucht das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern und lädt deswegen zu europäischen Bürgerdialogen ein. Der erste Bürgerdialog in Zusammenarbeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und der Diakonie Deutschland hat in der Diakonischen Stiftung Wittekindshof stattgefunden. Rund 90 Bürgerinnen und Bürger aus Bad Oeynhausen, Lübbecke, Minden, Löhne, Enger und Vlotho waren gekommen. Mehr als 15 beteiligten sich aktiv an der Diskussion, die simultan in Leichte Sprache übertragen wurde und stark am Alltag von Menschen mit Behinderung orientiert war.

“Die EU zählt nur dann zu den Gewinnern bei den Menschen, wenn sie sozial ist”, erklärte Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland aus Berlin, in ihrer kurzen Eingangsrede. Ziel sei es deswegen, dass Menschen in Not, Menschen mit Behinderung oder Krankheit, oder alte Menschen wichtig genommen würden und ohne Diskriminierung am Leben in der Gemeinschaft teilhaben könnten. Ähnliches betonte auch Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales: „Die Menschen sollen merken, dass sich die EU für alle einsetzt, nicht nur für Firmen und Banken, sondern auch für die Menschen!“ Dabei verwies der Staatssekretär auf das Projekt „Europäische Säule sozialer Rechte“, mit dem die EU das Leben und die Arbeit der Menschen in Europa verbessern wolle.

Alltag von Menschen mit Behinderung beim Bürgerdialog

Foto: Zum europäischen Bürgerdialog in der Wittekindshofer Kapelle sind rund 90 Frauen und Männer mit und ohne Behinderung gekommen – eingeladen hatten Maria Loheide (2.v.l.), Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, und Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtnberg (3.v.l.) aus dem Bundesministerium für Arbeit und Gesundheit.

Als der Wittekindshofer Vorstandssprecher Pfarrer Professor Dr. Dierk Starnitzke als Moderator das Publikum in das Bürgergespräch einbezog, wurde es konkret. Das Thema Mindestlohn in Werkstätten für behinderte Menschen mahnten mehrere Redner an. Stefanie Rau brachte es auf den Punkt: „Wir arbeiten viel, und wollen so viel verdienen, dass wir nicht vom Amt abhängig sind.“ Damit stieß sich auf viel Verständnis, aber Staatssekretär Dr. Schmachtenberg wies auch mit Nachdruck darauf hin, dass das monatliche Entgelt in der Werkstatt nur die eine Säule sei. Hinzu kommen im Vergleich dazu hohe Einzahlungen in die Rentenversicherung, wodurch sich ein erheblicher finanzieller Vorteil ergebe und der hohe Kündigungsschutz.

Zustimmung von allen Seiten gab es zu der Forderung, dass auch Menschen mit Behinderung bei der Europawahl nicht ausgeschlossen werden dürften. Staatssekretär Dr. Schmachtenberg berichtet, dass sich über die Parteigrenzen hinaus ein breites Bündnis für ein Wahlrecht wie bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen einsetzen, bei der auch Menschen wählen dürfen, die auf umfassende Unterstützung eines rechtlichen Betreuers angewiesen seien.

Eine junge Frau aus dem Berufsbildungswerk Wittekindshof hat von viel zu langen Wartezeiten für die Anerkennung einer neuen Ausbildung im Metallbereich berichtet, was vor allem für Menschen ein großes Problem sei, die aufgrund ihrer Behinderung nicht an Maschinen arbeiten dürfen. Eine Lösung hatte Dr. Schmachtenberg nicht parat, zückte aber umgehend seine Visitenkarte und sagte zu der jungen Frau: „Schicken Sie mir die Unterlagen, ich kümmere mich darum!“

Zu den weiteren Themen des Bürgerdialogs gehörte der Mangel an bezahlbaren barrierefreien Wohnungen und die Attraktivität von sozialen Berufen, die nicht allein aus guter Bezahlung resultierte. Maria Loheide betonte, dass angemessenen Rahmenbedingungen nötig seien, damit Mitarbeitende auch ohne Zeitdruck die nötige Pflege, Unterstützung und Begleitung leisten könnten.

Als Joachim Peter aus Minden eine barrierefreie Freizeitkarte aus Mallorca überreichte, blätterten die an die beiden Sozialexperten aus Berlin darin und lobten das als ein gutes Beispiel, dass sich die Länder in Europa nicht nur gegenseitig finanziell unterstützen, sondern die Reisefreiheit in Europa auch dazu Beiträge, dass man gute Beispiele in anderen Ländern kennenlernen könne. „Barrierefreiheit ist ganz wichtig, da bin ich dran, aber das dauert.“

(Text: Wittekindshof – Diakonische Stiftung für Menschen mit Behinderungen | Fotos: Anke Marholdt)

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