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Geht die Mindener Innenstadt den Bach runter?

Minden -

Gastkommentar zur aktuellen Lage in der Mindener Innenstadt

Leerstand, Pleiten und immer wieder Investoren, die viel versprechen oder von denen man sich selbst viel verspricht. Kurzum: Der Mindener Innenstadt geht es nicht gerade gut. Im folgenden Gast-Kommentar von Hans-Jürgen Amtage wird die aktuelle Situation analysiert und ein Blick in eine ungewisse Zukunft gewagt.

Die sind dann mal weg!

In Minden ist einmal wieder das große Jammern angesagt. Gastronomie schließt am laufenden Band am Markt, der letzte große Nahversorger packt die Waren ein und bei Hellmich am Wesertor scheint es nach der H&M-Eröffnung auch nicht wirklich weiterzugehen.

Die Reaktion ist – wie eingangs beschrieben – das große Jammern in Teilen der Mindener Bevölkerung. Und schon wird vermeintlichen Gralsbringern hinterher gehechelt, die in absehbarer Zeit irgendeine Tür in der City wieder öffnen. Kaum aber einer stellt die Frage, warum die Entwicklung zwischen Wesertor und Kaak am Obermarkt so ist wie sie ist.

Zum einen dürften die Schließungen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Publikumsfrequenz liegen. Sind nur wenige Kunden da, kann das Geschäft nicht funktionieren. Denn – Pech für alle, die glauben, wir lebten im Sozialismus – ein Geschäft hält seine Pforten nur offen, wenn die Umsätze und letztlich die Gewinne stimmen. Da hilft auch kein Jammern von Senioren- oder anderen Initiativen. Geld hat keiner zu verschenken, auch nicht die häufig wohl situierten Senioren.

Erfolglose Nebeneinsteiger

Es lohnt sich aber auch, einmal zu betrachten, wer häufig – besonders in der Gastronomie – die Geschäfte betreibt. Sehr oft sind es Nebeneinsteiger, die an das Gute im Kunden und der ausstattenden Brauerei glauben und das als Geschäftsgrundlage betrachten. Mal ist es ein „Fachmann“, der als Geschäftsmann erfolgreich im horizontalen Gewerbe gewirkt hat, mal der Angestellte, der andere Wege gehen will.

Basis für die Kundenbetreuung sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die, wenn sie genau auf ihre Lohnabrechnung schauen, wahrscheinlich nicht einmal den Mindestlohn erreichen. Wirklich ausgebildete Fachkräfte nehmen einen solchen Job gar nicht erst an. Hinzu kommt oft die Stimmung, die der Arbeitgeber an seinen Beschäftigten auslässt, wenn es nicht so läuft wie erträumt. Die Konsequenz: der Kunde beziehungsweise Gast spürt das bei der Bedienung, schaut sich das Ganze zwei-, dreimal an und kommt dann nicht wieder. Damit ist das Aus eingeleitet.

Neue Konzepte, geringe Halbwertzeit

Nach solchen Erfahrungen auf Konzepte zu setzen, die jetzt von sogenannten Eventmanagern präsentiert werden, die ihr Herz für die Gastronomie entdeckt haben, scheint sehr gewagt. Zumal die Halbwertzeit der bisherigen Projekte dieser Spezies sehr überschaubar ist.

In diesem Zusammenhang muss man sich die Frage stellen, warum Gastronomie beispielsweise im Hause Hagemeyer und an anderer Stelle funktioniert? Es wird sicherlich damit zusammenhängen, dass hier Profis am Werk sind, denen ebenfalls nichts geschenkt wird und die nachweisen müssen, dass ihr Laden läuft. Das setzt ständiges Dranbleiben voraus, Hinterfragen, Märkte analysieren, immer wieder neue (kulinarische) Ideen präsentieren. So würde ich meine Hand dafür ins Feuer legen, dass auch das vierte gastronomische Konzept in der Galerie am Scharn, das sich Pano nennt und auf Franchise basiert, erfolgreich sein wird. Abgucken würde sich für manch einen Möchtegerngastronomen lohnen.

All dieses ist natürlich nicht einfach auf einen Nahversorger wie Kaufland zu übertragen, der im September die Flügel in der Obermarktpassage streckt. Abgesehen davon, dass das unsägliche Verhalten der aktuellen Eigentümer, auch nicht ansatzweise Interesse zu zeigen, die Passage neu zu entwickeln, die Spitze des Eisberges ist. Wahrscheinlich lohnt sich der weitgehende Leerstand für die Immobilieneigentümer mehr (Abschreibung!) als eine Investition in das Objekt.

Hinzu kommt, dass das Konzept Obermarktpassage schon kurz nach der Eröffnung im Jahr 1984 und dem ersten Hype sich als nicht erfolgreich erwies. Die längste durchgehende Fußgängerzone Deutschlands vom Wesertor bis zum Kaak hat eben ihre Schwachstellen – und die liegen vor allem an den Enden.

Mittendrin und außen vor

Doch zurück zu Kaufland. Schon der Vorgänger Real hatte in den letzten Jahren seines Bestehens ein Kernproblem. Der Supermarkt wirkte wenig einladend. Das schlug sich in der Kundschaft nieder. Und Kaufland konnte diesen Trend nicht umdrehen. Selbst wenn die Einnahmen einigermaßen gewesen sein sollten, für die Gewinnzone reichte es sicher nicht – und die ist und bleibt nun einmal das Maß aller Dinge (siehe oben). Der Standort dürfte damit angesichts des Gesamtzustandes der Passage für lange Zeit verbrannt sein. Das Nachsehen haben all diejenigen, die aus vielerlei Gründen ihren Lebensmittelpunkt in der Innenstadt haben. Sie leben mittendrin und sind doch außen vor.

Bleiben aber noch andere Problemfälle – wie beispielsweise das Hellmich-Center am Wesertor (besser bekannt als Karstadt-/Hertie-Brache). Was wurde das neue Konzept gefeiert, nach der bitteren Wesertorgalerie-Pleite mit ECE. Und mit dem Dinslakener Unternehmer Hellmich schien tatsächlich jemand gefunden worden zu sein, der sein Geschäft versteht. Die Frage ist, ob er Minden verstanden hat? Die Stadt, die ein Mittelzentrum ist, aber ihre Schwächen in der Käuferschaft hat.

Zweifelsohne hat der Bauunternehmer den Komplex deutlich aufgewertet. Doch wo bleiben die Mieter? H&M ist in der Bäckerstraße von A nach B gezogen – was also unter dem Aspekt Einzelhandelszugewinn in der Mindener City ein Nullsummenspiel ist. Ein Sportstudio soll hier noch eröffnen. Schön, aber was hat das mit Kundengewinn zu tun? Nassgeschwitzt zum Einkaufsbummel? Wohl eher nicht.

Oft sind inzwischen Immobilienscouts aus ganz Deutschland am Wesertor zu sehen, die eifrig fotografieren – vor allem das Umfeld. Da wäre es angebracht, wenn die Stadt zügig ihre Pflasterarbeiten in der Bäckerstraße zum Abschluss bringen würde, damit das Quartier mehr ausmacht als einen Flickenteppich.

Viel Hype in Minden um was?

Und genau so viel Hype wie um Hellmich gemacht wurde, wird nun an anderer Stelle in der Innenstadt gemacht: bei Wehmeyer – ehemals Kepa. Seit Jahren steht die Immobilie im Einzelhandelsbereich leer. Der Eigentümer und Mindener Unternehmer schien wenig Interesse zu haben, hier etwas zu unternehmen. Warum auch, wenn man sich in einem Rechtsstreit mit dem Pächter ergehen kann, der auch für einen Leerstand zahlt. Dass dieser Eigentümer auch noch Vorsitzender des Fördervereins „Mehr Minden“ ist, das ist geradezu Realsatire.

Nun aber soll es ja passieren. Irgendetwas wird dort wohl einziehen (möglicherweise auch ein Sportstudio?) – in ein sicherlich ansehbares, umgestaltetes Gebäude. Den in diesem Zusammenhang wieder ins Spiel gebrachten Fahrstuhl an der Martinitreppe zwischen Unter- und Oberstadt lassen wir mal zunächst außen vor, solange nicht geklärt ist, wer letztlich langfristig die Zeche dafür zahlt.

Ach, ja, und dann ist da ja noch das neue Mini-Center mit Rathaus oben auf, das gleich gegenüber entstehen soll. Noch ein Gralsbringer. Bislang nur ist aber noch nicht einmal der Gral gefunden worden.

Dieser Text ist auch zu lesen im Hans-Jürgen Amtages Blog Amtage bloggt.

(Text: Hans-Jürgen Amtage | Foto: Archiv)

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