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Die Vermessung des Menschen

Minden -

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Durch den Photon-Counter, einer Weiterentwicklung des Computertomographen, lassen sich erstmals quantitative 3D-Modell des menschlichen Körpers erstellen. Anhand eines Bildes und der dazugehörigen Daten können verschiedene Gewebestrukturen erkannt und unterschieden werden.

Die digitale Welt revolutioniert die Radiologie: „Vor 15 Jahren haben wir noch mit Lupen auf Röntgenfilme geschaut. Dann gab es faszinierende Fortschritte in der digitalen und quantitativen Bildgebung. Die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz führen nun zu einer weiteren Revolution. Die radiologischen ‚Bilder‘ werden zu riesigen Datenmengen, die von einer KI nach Krankheiten durchsucht werden können. Diese Möglichkeit wird die Radiologie in den kommenden Jahren grundlegend verändern“, ist sich Universitätsprofessor und Direktor des Universitätsinstituts für Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin am Johannes Wesling Klinikum Minden Dr. Jan Borggrefe sicher. Und das Mindener Uni-Klinikum ist bei dieser weltweiten Forschung vorne mit dabei: „Wir arbeiten intensiv daran, theoretisches Wissen in praktischen Anwendungsmöglichkeiten für unsere Patientinnen und Patienten nutzbar zu machen“, sagt Professor Borggrefe.

Für den Bereich Künstliche Intelligenz in der Radiologie wurde von der Ruhr-Universität Bochum in Minden eigenes eine Forschungsprofessur eingerichtet. Seit Februar 2023 forscht Universitätsprofessor Dr. Alexey Surov im Bereich der augmentierten Radiologie am Johannes Wesling Klinikum Minden und stellt in seinem Bereich seitdem Publikationsrekorde auf. Der Begriff „Augmentierte Radiologie“ beinhaltet alle technischen Entscheidungshilfen bei der Befundung von Röntgendaten, um hiermit im Idealfall schnellere und präzisere Diagnosen zu erhalten. „Mit Künstlicher Intelligenz und modernen technischen Verfahren wie der Photon-Counting Computertomographie lassen sich erstmals ein quantitatives 3D-Modell des menschlichen Körpers erstellen. Die Bilder werden zum Teil schneller als ein Herzschlag aufgenommen und sind fünf- bis achtmal hochauflösender als konventionelle CT-Bilder“, berichtet Univ.-Prof. Dr. Surov. „Zugleich lassen uns neue Methoden der Bilderkennung mit Künstlicher Intelligenz und anderen Bildnachverarbeitungen erstmals den untersuchten Körper in Echtzeit virtuell für die klinische Verwendung in seine feinen Strukturen, jedes Organ und jeden Bildpunkt unterteilen und auswerten. Dadurch werden tausende von Präzisionsmessungen möglich“, macht Professor Surov auf die medizinische Bedeutung aufmerksam.

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Zwei bedeutende Wissenschaftler der Radiologie: Universitätsprofessor Dr. Alexey Surov, Lehrstuhlinhaber der Professur für Künstliche Intelligenz in der Radiologie am Uni-Klinikum Minden, und Universitätsprofessor Dr. Jan Borggrefe, Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Radiologie und Direktor des Universitätsinstituts für Radiologie, Neuroradiologie und Nuklearmedizin der Mühlenkreiskliniken

Dr. Jan Robert Kröger, Geschäftsführender Oberarzt des Universitätsinstituts und Leiter der Computertomographie, erklärt die Konsequenz: „Wo Ärzte vorher lediglich mit einem virtuellen Maßband Größen- und Dichtemessungen vornahmen, erhalten wir in der Forschung auf Wunsch nun ein Maximum an metrischen Daten, zum Beispiel das genaue Volumen und die Textur jedes einzelnen Organs und jeder Pathologie. Wir nennen das Imaging Biomarker.“

Nun stehen die forschenden Radiologen vor der Frage, welche tatsächlichen Vorteile sich für die Patientinnen und Patienten daraus ergeben. Eine Mammutaufgabe für die Wissenschaft. Die ersten Erkenntnisse lassen jedoch vermuten, dass die Vorteile der Imaging Biomarker für die Patientinnen und Patienten immens groß sind.

Allein dieses Jahr hat das radiologische Forscherteam am Universitätsklinikum Minden mehr als 20 Arbeiten im Bereich der Imaging Biomarker veröffentlicht, und arbeitet mit Hochdruck daran, diese in die klinische Anwendung zu bringen. Die Arbeitsgruppe von Universitätsprofessor Surov konnte hierbei in großen Studien zeigen, dass man mit Imaging Biomarkern sehr genau vorhersagen kann, ob bei onkologischen Erkrankungen oder Entzündungen bestimmte Therapien anschlagen oder nicht. Hier ist vor allem die spezifische Verteilung der Fett- und Muskelmasse von Patientinnen und Patienten für in der radiologischen Bildanalyse aussagekräftig. Aber auch die Vergrößerung spezifischer Lymphknoten, die Textur von Tumoren, wie auch Flüssigkeitsansammlungen in Herzbeutel- und Lunge sind Biomarker, die für oder gegen die Wirksamkeit von Therapien sprechen. Mit der Datenwissenschaftlerin Dr. Iram Shahzadi und Statistikern an anderen Universitäten arbeiten die Mindener nun an komplexen statistisch mathematischen Puzzeln, um aus einzelnen Imaging Biomarkern in Kombination mit Labordaten und klinischen Informationen die Muster und Modelle zu finden, die für die individuelle Therapie verschiedener Erkrankungssituationen am aussagekräftigsten sind. In Zukunft sollen dann, auf Grundlage dieses Wissens, die aussichtsreichste individuelle Therapieentscheidung stehen.

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Eine Darstellung des „des Herzens mit dem Photon Counting CT.

Die Kombination von Technologie und Imaging Biomarkern lässt sich jedoch nicht nur verwenden, um Krankheitsverläufe oder die Wirksamkeit von Therapie vorauszusagen, sondern auch, um das individuelle Risiko zum Beispiel für Herzkreislauferkrankungen zu bestimmen. Und dies nicht in der Zukunft, sondern im Hier und Jetzt. Die junge Nachwuchsforscherin Dr. Nina Haag und der Geschäftsführende Oberarzt Dr. Jan Robert Kröger veröffentlichten im Dezember in der renommierten Fachzeitschrift „Radiology“ einen Artikel zu einer neuen Methode zur opportunistischen automatisierten Bestimmung von Verkalkungen der Herzkranzgefäße. Mit Hilfe des besonders schnellen Photon Counting CT-Gerätes kann nun in jeder Untersuchung, die das Herz beinhaltet, ein sogenanntes Kalziumscoring zur Bestimmung des Herzinfarktrisikos durchgeführt werden, welches zuvor nur bei dezidierten Herzuntersuchungen durchgeführt werden konnte. „Damit können wir nun bei nahezu allen Patienten spezifisch messen, ob sie in Bezug auf die Volkserkrankung Herzinfarkt ein besonderes Risiko haben und deswegen zusätzlich frühzeitig untersucht werden sollten. Hierdurch könnten möglicherweise viele Herzinfarkte verhindert werden,“ berichtet Dr. Haag, die ihre Arbeit auch beim amerikanischen Röntgenkongress in Chicago erstmals der Weltöffentlichkeit vorgestellt hat.

Die Forschungsaktivitäten der Mindener Radiologen sind auch in der Fachwelt nicht unbemerkt geblieben. Aufgrund ihrer Leistungen wurde das Universitätsklinikum Minden in das RACOON-Netzwerk von 38 deutschen Universitätskliniken aufgenommen worden. Der Forschungsverbund bietet den Mindener Radiologen nun viele Kooperationsmöglichkeiten für die Durchführung von multizentrischen Studien.

Quelle und Fotos: Mühlenkreiskliniken AöR

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