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Jugendliche erforschen ausgelöschtes jüdisches Leben in Berlin

Minden-Lübbecke / Berlin -

Jugendliche erforschen ausgelöschtes jüdisches Leben in Berlin

Foto: Die Schülerinnen und Schüler beim Besuch der Blindenwerkstatt Otto Weidts (© Janine Küchhold/Kreis Minden-Lübbecke)

Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus – vielen, vor allem jüngeren Menschen ist oft nicht klar, was hinter diesen Begriffen steckt. Für das Projekt NRWeltoffen vom Kommunalen Integrationszentrum sind das Jugendamt und das KI im Schulamt des Kreises Minden-Lübbecke daher mit zwölf Jugendlichen aus dem Mühlenkreis nach Berlin gefahren, um sich in einem dreitägigen Workshop näher mit den Begriffen in ihrer aktuellen und historischen Dimension zu beschäftigen. Ein Schwerpunkt des Workshops war dabei das jüdische Leben in Berlin zur Zeit des Nationalsozialismus. „Um zu verhindern, dass so etwas wie die nationalsozialistische Diktatur wieder passiert, müssen wir dafür sorgen, dass möglichst viele junge Menschen erfahren, was damals geschehen ist“, sagt Dörte Heger, Kinder- und Jugendförderin vom Kreisjugendamt. Die Kreisjugendförderung sei daher auch dafür verantwortlich, toleranz- und demokratiefördernde Jugendbildungsangebote bereitzustellen, die über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit aufklären.

Gegen das Vergessen

Im ersten Teil des Workshops besuchten die Jugendlichen das Museum „Otto Weidt“ in den Hackeschen Höfen. Das Museum thematisiert die Geschichte der Blindenwerkstatt von Otto Weidt und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Während des Zweiten Weltkrieges beschäftigte der Kleinunternehmer Weidt hauptsächlich blinde und gehörlose Jüdinnen und Juden in seiner Werkstatt. Dass Weidt seine kleine Fabrik geschickt als „kriegswichtigen“ Betrieb etablierte, schützte viele seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zunächst vor der Deportation. Als es auch für die Jüdinnen und Juden in seinem Betrieb immer gefährlicher wurde, machte er es sich zur Aufgabe, Verstecke für sie zu suchen. Eines davon befand sich in einem angrenzenden Raum in der Blindenwerkstatt und kann auch heute noch besichtigt werden. Eine Überlebende Mitarbeiterin Otto Weidts war die Jüdin Alice Licht. Mit der Hilfe Weidts gelang ihr die Flucht während ihrer Deportation. Die 14-jährige Cynthia von der Birger-Forell-Realschule in Espelkamp ist beeindruckt von der Biografie Lichts. „Heute können wir uns gar nicht mehr vorstellen, was die Menschen damals mitgemacht haben müssen,“ sagt die Schülerin.

Bei dem Workshop in der Blindenwerkstatt hatten die Schülerinnen und Schüler die Aufgabe, sich über die antijüdischen Gesetze zu informieren und auszutauschen. Damit sie sich besser in die Situation der Jüdinnen und Juden während der NS-Diktatur hineinversetzen können, sollten die Jugendlichen überlegen, welches der Gesetze sie persönlich am meisten treffen würde. Besonders das Verbot zur Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen sowie der Mitgliedschaft in einem Sportverein erschien den Jugendlichen besonders schlimm. „Menschen jüdischen Glaubens wurden damit systematisch aus der Gesellschaft herausgedrängt,“ resümiert der 15-jährige Jonas vom Ratsgymnasium. Vor allem für die Schülerinnen und Schüler, die das Thema NS-Diktatur noch nicht in der Schule als Unterrichtsthema hatten, war der Menschenhass gegenüber Jüdinnen und Juden nur schwer nachzuvollziehen. Daher warf der Besuch in der Blindenwerkstatt auch viele Fragen auf: „Wieso konnte man als Jude nicht gleichzeitig Deutscher sein? Wie soll das gehen?“, „Was hatten die Nazis denn eigentlich gegen die Juden?“, „Wenn es aus Sicht der Nazis eine Herrenrasse gibt und eine unterste Rasse, die ausgemerzt werden muss, gibt es immer eine neue unterste Rasse – aber was bleibt dann am Ende noch?“ fragt sich der 14-jährige Schüler Juliano. Für die ebenfalls 14-jährige Alexandra stand am Ende des Tages fest: „Wir müssen dafür sorgen, dass niemand wieder in eine solche Situation kommt.“

Die nächste Station war das Geschichtslabor des Jugendmuseums Schöneberg. Anhand von historischen Materialien hatten die Schülerinnen und Schüler hier die Möglichkeit, in die Rolle von Geschichtsforschern zu schlüpfen und Themen aus der Zeit des Nationalsozialismus zu erkunden. Der 16-jährige Leander recherchierte die Geschichte eines Füllfederhalters, der einem „Schreibtischtäter“ der nationalsozialistischen Diktatur gehörte. Die anschließende Diskussion drehte sich daher vor allem um die Frage nach der Schuld von „Schreibtischtätern“ wie diesem.

Am dritten und letzten Workshop-Tag ging es zum Lernort 7x jung- Dein Trainingsplatz für Zusammenhalt und Respekt des Netzwerkes „Gesicht zeigen!“ In einem Rollenspiel erfuhren die Jugendlichen, was es bedeutet ausgegrenzt zu werden. Die Schülerin Alica war in diesem Rollenspiel die ausgegrenzte Jugendliche und schilderte anschließend, wie sie sich dabei fühlte. „Für mich war das ganz schrecklich, das möchte ich nicht nochmal erleben,“ sagt sie im Anschluss an das Rollenspiel. Am Ende des dreitägigen Workshops stand für die Jugendlichen fest: So etwas wie der Holocaust dürfe nie wieder geschehen.

Der Kreis Minden-Lübbecke setzt sich für die Förderung von Demokratie, Toleranz und den gesellschaftlichen Zusammenhalt ein. Daher beteiligt sich der Kreis an dem Projekt „NRWeltoffen“, das gezielte präventive Arbeit leistet. Dazu gehören Seminare und Workshops, die gegen Diskriminierung, Rassismus und Menschenfeindlichkeit sensibilisieren sollen. Der dreitägige Workshop in Berlin wurde ausgerichtet vom Berliner Netzwerk „Geschichte in Bewegung“. Es besteht aus acht Einrichtungen der historisch politischen Bildung, die verschiedene Workshop-Reihen zu den Themen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung anbieten.

Weitere Informationen zur Kreisjugendförderung und dem Projekt NRWeltoffen: https://www.minden-luebbecke.de/Service/Kinder-Jugend-Eltern, https://www.minden-luebbecke.de/Service/Integration/NRWeltoffen/

(Text: Kreis Minden-Lübbecke)

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