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'Mit Mut der Vergangenheit begegnen'

Porta Westfalica -

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Mittwochvormittag (17.7.) folgte LWL-Direktor Matthias Löb der Einladung des Bürgermeisters von Porta Westfalica, Bernd Hedtmann, und des Historikers Thomas Lange, dem Geschäftsführer des Vereins KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica: Am Jakobsberg in Ostwestfalen übergab Löb als Vorsitzender der LWL-Kulturstiftung einen Förderbescheid über 80.000 Euro.

„Es braucht Mut und viel Engagement der regionalen Geschichte unter dem Diktat der Nationalsozialisten zu begegnen und sie aufzuarbeiten“, so Löb bei der Übergabe des Förderbescheids. „Mit dem Projekt wird eine Forschungslücke in der Geschichte der Region in Ostwestfalen geschlossen. Wir unterstützen den rein ehrenamtlich agierenden Verein gerne in dem Ziel, den Jakobsberg zu einem Ort des Erinnerns und Austauschs weiterzuentwickeln und dauerhaft zu etablieren“, erläuterte Löb weiter.

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Mit der Förderung leistet die LWL-Kulturstiftung für die Dauer von vier Jahren (2019 bis 2023) einen Beitrag zur fundierten wissenschaftlichen Forschung zu den Außenlagern des Hamburger KZ Neuengamme auf dem heutigen Stadtgebiet Porta Westfalicas. Hier wurden ab Sommer 1944 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter für die Rüstungsverlagerungen in die Stollenanlagen rund um Hausberge eingesetzt. Erkenntnisse der Forschungsarbeit bilden die Basis für die Einrichtung einer Ausstellung in der geplanten Gedenkstätte im Jakobsberg und für eine umfassende Online-Dokumentation.

Unterstützung erfahren die Verantwortlichen in Porta Westfalica auch vom LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, das gemeinsam mit dem Verein im Frühjahr 2020 zum 75. Jahrestags des Kriegsendes eine Historiker-Tagung ausrichten wird.

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Der Verein KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica e.V. bündelt seit 2009 die Aktivitäten von Einzelpersonen, Organisationen und Institutionen zur Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus und der Außenlager des KZ Neuengamme an der Porta Westfalica. Seit 2015 wird satzungsgemäß die Entwicklung der ehemaligen Untertageverlagerung Dachs 1 zu einem zentralen Gedenkort fokussiert. In der Region, und darüber hinaus, gibt es keinen vergleichbaren historischen Ort, an dem die Auswirkungen des Zusammenwirkens von NS-Ideologie, Rüstungsindustrie und KZ-System sowie die Beziehungen zwischen der Zivilbevölkerung und Konzentrationslagern in der sprichwörtlichen Nachbar-schaft deutlicher vermittelt werden könnten.

Das Interesse an dem Thema und dem Ort ist seit Vereinsgründung kontinuierlich gestiegen und ungebrochen hoch. Neben gut besuchten Veranstaltungen sind insbesondere die Führungen in der Anlage Untertageverlagerung Dachs 1 im Jakobsberg überregional von großem Interesse und weit im Voraus ausgebucht. Die nationale und internationale Presse hat sich dem Thema immer wieder gewidmet. Zunehmend wird der Verein auch zur Anlaufstelle für die Angehörigen ehemaliger Häftlinge, die hier Auskünfte über die Lebenswege und Schicksale ihrer Angehörigen erhalten wollen.

Bürgermeister Bernd Hedtmann: „Hier hat sich eine Dynamik entwickelt, die für alle Beteiligten sehr beeindruckend ist. Auf hohem fachlichem Niveau bringen sich ganz unterschiedliche Menschen ehrenamtlich ein, um dieses Projekt voranzubringen. Behörden und Institutionen unterstützen das Projekt. Für die Organisation der Veranstaltungen hat der Verein immer die nötigen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer gefunden. Die Spendenbereitschaft ist außerordentlich. Bisher konnten an einer Führung seit 2015 über 6000 Personen an einer Führung teilnehmen, davon im Jahr 2017 und 2019 jeweils ca. 2500. Aus unterschiedlichen Bereichen wächst das Interesse stetig: Schulen, Polizei, Bundeswehr sowie weitere Behörden buchen zunehmend Bildungsveranstaltungen. Bisher liegen bereits für die kommenden Jahre wieder ca. 3000 Voranmeldungen vor. In der Region wird zunehmend erkannt, dass es sich hier um einen einzigartigen Gedenk- und Lernort handelt, der hier gerade durch ein außerordentliches ehrenamtliches Engagement erschlossen wird.“

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Zur dauerhaften Einrichtung einer Gedenkstätte wurde der aus mehreren Modulen bestehende Projektplan vom Gedenkort zur Gedenkstätte – Projektplanung zur Einrichtung einer Gedenkstätte in der ehem. Untertageverlagerung Dachs 1 durch den Vereinsvorstand initiiert. In Kooperation mit der Stadt Porta Westfalica werden sie weitgehend durch die ehrenamtliche Arbeit im Verein realisiert. Die Stadt Porta Westfalica ist einem einstimmigen Ratsbeschluss folgend als juristische Person Mitglied des Vereins und stellt seit Gründung mit dem Bürgermeister der Stadt auch den 1. Vorsitzenden. Nach und nach werden u.a. die technischen Voraussetzungen für einen regelmäßigen Besucherbetrieb in der Anlage geschaffen und gedenkstättenpädagogische Strukturen aufgebaut. Verwaltungsrechtlich ist die ehemalige Untertageverlagerung Dachs 1 ein Besucherbergwerk, welches unter den o.g. Bedingungen jederzeit einen regulären Besucherbetrieb aufnehmen kann.

Der Historiker Thomas Lange betont die internationale Bedeutung der Arbeit des Vereins. „Wir haben seit dem ersten Kontakt mit der Familie de Raaf aus den Niederlanden zunehmend Angehörige ehemaliger KZ-Häftlinge aus Australien, Frankreich, Italien und Dänemark kennengelernt, die an verschiedenen Veranstaltungen des Vereins teilgenommen haben. Besonders durch den Kontakt zu Dr. Jörgen Kieler und den Besuch von Gitta Mann, beide waren in Porta Westfalica interniert, wurde deutlich, das Erinnerungskultur einen unverzichtbaren Beitrag zur Versöhnung, zum Frieden und zur Völkerverständigung darstellt.

Lange betont, dass der Verein sehr dankbar dafür ist, die Förderung der LWL-Kulturstiftung zu erhalten, da diese Forschungsarbeit Voraussetzung ist für jede weitere Entwicklung einer Gedenkstättenarbeit inmitten eines bedeutenden Denkmalensembles an der Porta Westfalica. Nur auf Grundlage eines aktuellen wissenschaftlichen Standes können Veröffentlichungen, eine vernetzte Dauerausstellung und Online-Dokumentation fundiert erarbeitet und daraus abgeleitet eine themen- und zielgruppengerechte Gedenkstättenpädagogik konzipiert werden. Dank medialer Technik können historische Orte als steinerne Zeugen in vielfältiger Weise erlebbar gemacht werden, die Zusammenführung von Gedenkort und multimedialen Lerninhalten kann als ein moderner Ansatz für Wissensvermittlung, politische Bildung und pädagogische Arbeit genutzt werden – auch im Hinblick auf die thematische Erweiterung der im neuen Dokumentationszentrum des Kaiser-Wilhelm-Denkmals angeschnittenen Geschichtslinie zwischen 1919 und 1945. Erste Ergebnisse der Forschung sollen bei der mit dem LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte geplanten Tagung im Jahr 2020 anlässlich des 75. Jahrestages des Endes des 2. Weltkrieges Einfluss finden.

Angelegt ist das Forschungsprojekt auf einen Zeitraum von vier Jahren. Der Start kann im September 2019 erfolgen, die Ergebnisse sollen spätestens 2023 zur Verfügung stehen. Perspektivisch hat der Verein das Ziel, die ehemalige Untertageverlagerung Dachs 1 spätestens ab diesem Zeitpunkt als überregional bedeutenden Gedenkort mit regelmäßigen Öffnungszeiten etabliert zu haben.

(Text und Fotos: Stadt Porta Westfalica)

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