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Interview - Boxweltmeister Christian Pawlak besucht "Fausthaus" in Minden

Minden/Espelkamp -

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Die Boxschüler und -schülerinnen des Boxverein „Boxermanufaktur Fausthaus Minden e.V.“ freuen sich über einen Weltmeister mitten unter ihnen.

Wir möchten euch heute einen echten Weltmeister aus unseren Reihen vorstellen, den Espelkamper Christian Pawlak. Vor einigen Wochen gewann er in seinem dritten WM-Kampf den WBU-Boxweltmeistertitel im Supermittelgewicht.
Dazu trafen wir Christian im Mindener Boxverein „Boxermanufaktur Fausthaus Minden e.V.“ an der Kaiserstraße 8 und sprachen mit ihm über sein Leben.

Schon wenn man das „Fausthaus“ betritt liegt ein süßlicher Schweißgeruch in der Luft. Es wird sofort klar, hier wird hart trainiert. Ca. 30 Schüler und Schülerinnen im Alter von 4 Jahren bis hin zu jungen Erwachsenen quälen sich mit Seilspringen, Schattenboxen, Sit Ups und Liegestützen. Die Anstrengung spiegelt sich in ihren Gesichtern.

Mittendrin finden wir Christian Pawlak, frisch gebackener Weltmeister im Supermittelgewicht, wie er Tipps gibt und vom Nachwuchs ausgefragt wird. 

HM: Du hast vor kurzem den Weltmeistertitel geholt, herzlichen Glückwunsch! Wie fühlt man sich da?

Christian Pawlak: Ich bin sehr glücklich. Das passiert auch nicht alle Tage. Es fällt mir noch schwer, das in Worte zu fassen.

HM: WBU-Weltmeister im Supermittelgewicht, klingt toll, doch was bedeutet das?

Christian Pawlak: Boxer kämpfen in verschiedenen Gewichtsklassen und Verbänden. Ich bin Weltmeister der WBU. Die World Boxing Union ist einer der größten Verbände des Profiboxsports. Jeder Verband hat in unterschiedlichen Disziplinen und Gewichtsklassen seine eigenen Titel.

Das Supermittelgewicht geht bis zu einem Körpergewicht von 76,203 Kilo. In dieser Klasse findet man Boxer, wie Felix Sturm und Arthur Abraham. Arthur ist in seinem Verband WBO aktueller Weltmeister und Felix hat sich als erster Deutscher für 4 Weltmeistertitel durch mehre Verbände gekämpft. Ich würde sagen, dass in dieser Klasse die momentan stärksten Boxer unterwegs sind.

Info: Christian besiegte am 5. Dezember 2015 in der Hamelner Rattenfängerhalle den Magdeburger Toni Thes in der 4. Runde durch KO. Der vakante Meistertitel (vakant bedeutet, dass er von keinem der beiden zu dem Zeitpunkt getragen wurde) war das Ziel der Kämpfer. Christian setzte sich durch und darf von nun an den Weltmeistergürtel der WBU im Supermittelgewicht tragen.

HM:? Die Anfrage für den Kampf kam sehr kurzfristig, war das ein Nachteil?

Christian Pawlak: Nein, als Profiboxer ist man immer bereit! Eine Vorbereitungsphase ist wichtig, aber der Beruf Profiboxer verlangt auch jeden Tag zu trainieren. Ich bin immer Top fit.

HM: Wie lief der Kampf?

Christian Pawlak: Sehr gut, ich kam gut rein und konnte schnell Punkte machen. In der vierten Runde platzierte ich ein paar schöne Treffer. Toni sackte öfter zusammen, rappelte sich aber mehrfach auf. Ich konnte immer wieder gute schwere Treffer landen, und so kam er irgendwann nicht mehr auf die Beine. Er wurde zwar angezählt, doch der Kampf musste letzten Endes abgebrochen werden, weil er nicht mehr kampffähig war.

Trotzdem war der Kampf sehr anstrengend für mich. Meine Mama hat noch am Morgen für das Team lecker dampfende Kohlrouladen serviert. Sie weiß am Besten welche Stärkung man nach so einer Anstrengung benötigt. Da saßen wir alle in meinem Kinderzimmer, mit den ganzen Postern meiner Boxidole an der Wand, und haben gefuttert. Danach ging es uns allen besser.

HM: Wie bereitest du dich auf einen solchen Kampf vor?

Christian Pawlak: Im Detail ist das ein Geheimnis, ganz grob geht es um die vier „S“: Seilspringen, Schattenboxen, Serien und Sparring. Dazu kommt noch Lauf- und Krafttraining.

Ein Trainingstag läuft ungefähr so ab: Ich stehe früh auf und laufe im Schnitt 10 Kilometer, mal mehr mal weniger, aber in der Woche komme ich auf gut 50 Kilometer. Dann frühstücke ich, fahre ins Studio zum Trainieren, danach gibt es eine kleine Ruhephase, dann wieder Training, wieder eine Ruhephase, so komme ich in die Konzentration.

Beim Sparring stelle ich mich mental auf den Gegner ein. Es ist ganz wichtig mit anderen zu boxen, um verschiedene Aspekte zu trainieren. Mit einem flinken Kämpfer trainiert man die Schnelligkeit und Beweglichkeit, mit einem starken Gegner Kraft und Präzision.

HM: Welche Titel hast du noch?

Christian Pawlak: Ich bin mehrfacher Bezirksmeister, 7-facher Westfalen-Meister und 2-facher Westdeutscher-Meister. Der größere Titel ist aber der WBCA-Intercontinental-Champion, den ich letztes Jahr in Polen gewonnen habe.

HM: Hast du auch mit bekannten Größen zusammengearbeitet?

Christian Pawlak: Ich war unter anderem Boxer bei Graciano „Rocky“ Rocchigiani. Ungefähr 3-4 Jahre. Dort habe ich viel gelernt und meine ersten Weltmeisterkämpfe bestritten. Wir haben heute noch einen guten Kontakt. Eine zeitlang habe ich auch für Khalil Boxpromotion geboxt.

HM: Profiboxer, bedeutet das, das du noch einer anderen Arbeit nachgehen musst?

Christian Pawlak: Nein, man kann schon davon leben, aber ich arbeite noch als Personaltrainer in einem Studio. Die freuen sich, da sie jetzt einen Weltmeister als Trainer haben. Das gibt es auch nicht oft.

HM: Auch hier im „Fausthaus“ wirst du mit Fragen bombardiert. Wie stehst du zum Amateursport?

Christian Pawlak: Mit dem Amateursport beginnt alles. Auch ich war erst ein Amateur, bevor ich eine Profilaufbahn eingeschlagen habe. Heutzutage kann ja jeder Profiboxer werden, dafür muss man kein Amateur gewesen sein und auch keine Nachweise erbringen. Doch ohne den Amateursport gäbe es heute keine wirklich guten Boxer.

Wie hier im „Fausthaus“ werden die Grundlagen des Sports vermittelt, es wird viel Wert auf saubere Technik und die Philosophie des Boxens gelegt. Hier werden noch die Werte vermittelt, die jungen Boxern nicht nur im Sport einen Wegweiser geben. Ich denke, dass jeder, der einmal im Profigeschäft Fuß fassen möchte zuvor Amateursportler gewesen sein sollte. Das würde dem Boxsport allgemein sehr gut tun.

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Info: Christians Kampfstatistik?

Profi Supermittelgewicht
25 Kämpfe
19 Siege
11 durch tko
5 Niderlagen
1 Unentschieden

Amateur Mittelgewicht
112 Kämpfe
92 Siege
9 Unentschieden
11 Niederlagen

HM: Wie bist du zum Boxen gekommen?

Christian Pawlak: Ich kam 1989 aus Polen nach Deutschland, konnte kaum ein Wort Deutsch und wurde in der Schule ausgegrenzt. Die Kinder mochten keine Ausländer. Man musste sich durchbeißen, doch die meiste Zeit wurde man verprügelt. Ich war 8 Jahre alt und kannte so eine Gewalt nicht. ?Also beschloss ich Selbstverteidigung zu lernen, erst Karate, dann Taekwon-Do. Das brachte auf der Straße aber nichts, ich bekam immer noch Prügel. ?

Dann fing ich mit Bodybuilding an, weil ich dachte, wenn ich muskulös bin lassen sie mich endlich in Ruhe. Doch auch das war nicht das Richtige, so kam ich 1994 zum Boxen. Es gab da noch die "Alte Staffel“ in Espelkamp. ?Die Boxer sahen böse und brutal aus und ich dachte, wenn so einer auf der Straße steht, da haben alle Angst und Respekt. Ich hatte wirklich Schiss zum Training zu gehen und das war auch echt hart, aber ich wusste, wenn ich das schaffe, dann packt mich keiner mehr an. ?

Nach einer Zeit wurde mir langsam bewusst, dass ich ein ganz guter Boxer bin. In meiner Klasse habe ich alle geschlagen und meine Teamkollegen kamen immer öfter auf mich zu und lobten meine Leistungen. Eigentlich wollte ich ja nicht Boxer werden, sondern mich nur wehren lernen. ?Es gefiel mir Respekt und Anerkennung zu bekommen, so blieb ich dabei.

Mittlerweile bin ich seit 10 Jahren Berufsboxer und hoffe weiterhin ohne Verletzungen noch 10 Jahre boxen zu können. Die mannstarken Jahre liegen ja noch vor mir und zum Ausruhen ist noch keine Zeit. Ich strebe weitere Titel an. Doch jetzt überwintere ich erst einmal mit dem Titel und fange in 2016 wieder aktiv an. Wahrscheinlich wird es auch eine Boxveranstaltung im Kreis geben, damit sich die Leute auch mal einen Weltmeister in ihrer Gegend anschauen können.

HM: Welche Vorraussetzungen benötigt man, um Boxer zu werden?

Christian Pawlak: Ohne Willen braucht man gar nicht anfangen. Sonst benötigt man fast nichts. Man kann sich das erarbeiten. Und nicht jeder will am Ende Kämpfe bestreiten. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe an Sportlern, die Boxen als Fitnesstraining nutzen, weil sie die Vorzüge eines solchen Trainings erkannt haben.

HM: Wenn du etwas jungen Boxern mit auf den Weg geben könntest, was würdest du ihnen sagen?

Christian Pawlak: Du musst an dich selbst glauben, dann kannst du alles schaffen - Boxen, Arbeit, Karriere, was auch immer. Du musst an dich glauben, auch wenn keiner mehr an dich glaubt. Ich stand so oft vor einem Scherbenhaufen, habe mich aber immer wieder aufgerappelt, noch härter an mir gearbeitet und hab auch dann weitergemacht, wenn die Vorraussetzungen gleich null waren. Und heute hat es sich ausgezahlt - jetzt habe ich endlich einen richtigen Titel!

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HM: Wie viele Leute stehen hinter einem Boxer?

Christian Pawlak: Das sind einige, nicht nur die sportlich Wichtigen, wie Trainer, Mediziner und Sparringspartner. Man braucht ein gutes Umfeld und einen starken Zusammenhalt. Wir Boxer sagen immer „der oder die stehen in meiner Ecke“. Das ist Familie, sind Freunde, aber auch die Verkäuferin vom Lieblingsimbiss (in meinem Fall Annette), die an einen glauben und unterstützend wirken. Bei mir sind es so an die 40 Leute.

HM: Christian, wir danken dir für das angenehme Gespräch, das hätten wir noch Stunden machen können. Wir wünschen dir für deinen weiteren Weg alles Gute, keine Verletzungen und viele Titel.

Info: Wer Christian gerne in Aktion sehen würde hat dazu Gelegenheit in seinem Boxstudio in Espelkamp.

(Text: HALLO MINDEN, Fotos: HALLO MINDEN, FAUSTHAUS)

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