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Vergessene Kostbarkeit kehrt ins Kommunalarchiv zurück

Minden -

Vergessene Kostbarkeit kehrt ins Kommunalarchiv zurück

Das Kommunalarchiv stellt bis Ende Januar 2016 ein besonderes Buch aus – das Einschreibbuch der Mindener Buchbindergesellen. Nachdem die „vergessene Kostbarkeit“ in den vergangenen Monaten restauriert wurde, ist sie jetzt bis Ende Januar 2016 zu sehen. Die Restauration war durch die finanzielle Unterstützung der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK), gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien und die Kulturstiftung der Länder, möglich.

Das Einschreibbuch ist ein ledergebundener Band, in den sich alle zwischen 1752 und 1828 auf der Wanderschaft durch Minden ziehenden Buchbindergesellen eingetragen haben. Das Buch ist für Minden das einzige seiner Art. „Minden hatte nur drei Buchbinder. Vor diesem Hintergrund ist das Einschreibbuch eine wichtige Quelle, um die Binnenstruktur des Handwerks zu verstehen“, beschreibt Dr. Anke Hufschmidt, Historikerin und stellvertretende Leiterin des LWL-Freilichtmuseums Hagen. Hufschmidt hielt einen Vortrag zum Thema „Das Wandern ist des Müllers Lust? Handwerk und Mobilität von der Mitte des 18. bis in das frühe 19. Jahrhundert nach dem Einschreibbuch der Mindener Buchgesellen“.

Das Buchbinden ist ein junges Handwerk – 1537 sind erstmals Buchbinder nachgewiesen. In der frühen Neuzeit hatten sie einen hohen Stellenwert. In Minden gründete sich 1653 die Buchbinderzunft. In kleineren Städten ist die Zunft nicht zu finden, da sich Buchbinder nur dort niedergelassen haben, wo es auch tatsächlich Arbeit für sie gab, also in Residenzstädten oder Verwaltungszentren. Die meisten Werkstätten hatten nicht mehr als zwei Gesellen. Ihre Ausbildung dauerte in Minden vier Jahre. Danach gingen sie mindestens drei Jahre auf Wanderschaft. Die Gesellen waren sehr mobil. In jeder Stadt, in der sie sich in das Einschreibbuch eingetragen haben, erhielten sie ein „Geschenk“. Diese Unterstützung bestand im 19. Jahrhundert aus zwei Groschen. Oft blieben die Handwerker nur 14 Tage vor Ort und bestritten ihren Lebensunterhalt auch mit schweren körperlichen Tätigkeiten.

Vergessene Kostbarkeit kehrt ins Kommunalarchiv zurück

Foto: Das Mindener Einschreibbuch wurde in der Restaurations-Werkstatt el papel wiederhergestellt (© el papel, Minden)

Die Wanderschaft diente eigentlich dazu, Berufserfahrung zu sammeln. Leider war es damals nicht einfach, eine feste Anstellung und somit die erhoffte Erfahrung zu bekommen. So kam es, dass die Gesellen deutlich länger unterwegs waren, als vorgeschrieben. Auch aus dem Mindener Einschreibbuch lassen sich Lebenswege rekonstruieren. Einige Gesellen umkreisten die Stadt auf der Suche nach einer dauerhaften Arbeit. Sie haben sich mehrmals in das Buch eingetragen. Während der Wanderschaft sind Beziehungsnetzwerke entstanden, die über die Lehrzeit hinaus Bestand hatten. Die Buchbindergesellen sammelten neben sozialem auch kulturelles Kapital an, denn der Umgang untereinander prägte eine bestimmte Gruppenkultur.

Ein Einschreibbuch hat vier wichtige Aufgaben: Es ist zum einen der Arbeitsnachweis der Gesellen, es hat den Charakter einer Quittung für die erhaltene Unterstützung, es verzeichnet außerdem die Herkunft der Buchbindergesellen und aus welcher Stadt sie nach Minden gekommen sind. Verzeichnet ist aber auch die Lossprechung von Lehrjahren. Hat sich ein Geselle eine soziale Verfehlung, wie bspw. einen Diebstahl, geleistet, wurde sein Eintrag ausgestrichen. Diese Ehrenstrafe kratzte am Stolz der Gesellen – auch weil die Streichung von späteren Lehrlingen gelesen wurde. Das konnte sich negativ auf den Ruf auswirken.

Das Wandern war nicht immer eine reine Lust, denn die Gesellen waren tagelang zu Fuß unterwegs. Dabei legten sie weite Strecken zurück und konnten nicht immer eine gute Anstellung finden. In den Meisterstand aufzusteigen war ebenfalls nicht leicht. Der Aufstieg konnte über verschiedene Wege gelingen: Zum einen durch die Heirat der Witwe oder der Tochter eines Buchbinder-Meisters und zum anderen durch Übergabe einer Werkstatt vom Vater an den Sohn. Das aber war nicht für alle Gesellen möglich. Sich selbst das fürs Handwerk notwendige Werkzeug zu kaufen und eine eigene Werkstatt aufzubauen, war zeit- und kostenintensiv. Aus dem Mindener Einschreibbuch sind viele Informationen herauszulesen, die einen guten Einblick in die Buchbinderzunft geben.

(Text: Stadt Minden; Fotos: ©el papel, Minden)

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